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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 
… Tsunami als der ekstatisch erlebte Inbegriff des Hier-und-Jetzt, seit 9/11.

So wie 9/11 der digitale Kapitalismus, der architektonisch verkörpert-körperlose Non-Place schlechthin, auf einmal in Trümmer, Staub und Blut zerfiel, und wieder PLACE wurde, wobei zugleich merkwürdiger Weise das Verschwinden von Orten, Bauten, Menschen in der digitalen Welt zugleich auch noch einmal wiederholt und traumatisch gespiegelt wurde, weil dann ja eben doch ganz gespenstisch Riesengebäude und Menschenmenge AUF EINMAL WEG waren, Ground ZERO, als wäre sie nie da gewesen …

… so wiederholt sich das nun mit den URLAUBSPARADIESEN, den künstlichen Non-Places, die mitsamt den im Strand-Nirwana urlaubenden Menschen auf einmal weg sind: Hotels, Urlauber AUF EINMAL WEG.

Das macht ja den Reiz des Event aus: Dass man das medial erleben kann. 1000 vermisste Deutsche, Videos, Interviews, Blogs. 18monatiges Schnullerkind nach 1 Woche auf Luftmatratze gefunden. Ob es jetzt 50000 Indonesier mehr oder weniger sind, ist vergleichsweise egal. Die leben in einem anderen Raum und zählen nur als Masse. Und kaputte Hütten sind kaputte Hütten sind kaputte Hütten. Was soll man da schon sagen oder zeigen oder denken.

„Ein semantisches Erdbeben. Und in den Blogs rollt der/die/das semantische Tsunami …“

(Diese Feststellung ist ja selbst schon, obwohl wahr, gleichwohl widerlich: Haraldschmidtmäßig oder christiankrachtmäßig oder stefanraabmäßig, immer neu aus der Sicht des medienversierten Besserwissers einverständnisheischend die „Betroffenheit“ der „Dummies da draußen“ verspottend, wobei die allerschlimmsten Dummies ja die selbstgerechten und dauerironischen Mediendummies selbst sind. Also muss man hier Ironie und Medien-Reflexion immer als Selbstverletzung verstehen, was ohnehin die einzig akzeptable Form ist.)

Tsunami: Die Blogosphere hat endlich wieder einen CONTENT, der alle die ganze Sphere in ihrer beeindruckenden Kraft und Mächtigkeit erleben lässt. Selbstgenuss.

Da weiß man wieder warum man bloggt: weil man solche Erlebnisse sucht. Weil man die Macht des Mediums erleben will. Weil man mitsurfen will auf der möglichst lang rollenden Welle, wie diese Surfer, die irgendwo im Amazonas, dort selbst siedelnd mitten unter einheimischen Hüttenbewohnern, auf die stundenlange Welle warten, die jeden Monat unter bestimmten Gezeiten-Umständen an der Flussmündung entsteht und ins Meer rollt …

Die Katastrophe gibt den dringend benötigten ROHSTOFF, der hier semantisch verbrannt werden kann und ENERGIE erzeugt: Bilder, Augenzeugenberichte … „Unmittelbarkeit“, das immer neu ersehnte Erlebnis des „Primären“, das vom Nachdenken vorübergehend freistellt. Stoff zum Bearbeiten für mindestens das nächste Blogjahr.

Der CONTENT der medialen Selbst-Ekstase ist, wie immer, vorgeblich das Andere der Medien: die REALITÄT. Dasselbe ja permanent im Fernsehen, Radio usw. Wenn keine Katastrophe da ist, nimmt man halt Sex.

Damit die Welle so rollen kann, dürfen die Blogs (für diesen Moment) nicht wissen, dass sie Blogs sind, d.h. selbstbezügliche Zeichen- und Aussagenmaschinen, sondern sie müssen im Gegenteil, wie sie es von Anfang an getan haben, ganz unreflektiert und von sich überzeugt als GEGEN-MEDIEN auftreten: sentimentale Haltet-Ein-Postings, die auf die Eitelkeit alles Mainstream-Medialen hinweisen. Spendenaufrufe. Attac-Realismus …

Aber das ist schon in Ordnung, d.h. es wäre in Ordnung, wenn man das Ganze eben nicht bloß sentimental verstünde, als Rückkehr zur echten Realität, sondern als das was es ist: als Beitrag zur dringend nötigen ERFINDUNG einer neuen Realität, in der man künftig anders leben kann als jetzt:

Blogging Reality Into Existence.
albannikolaiherbst meinte am 7. Jan, 14:52:
Und es erhöht meßbar das Bruttosozialprodukt.
Ja.

(Nur die Opfer selbst - als der jeweils Einzelne - ist f r o h darüber, weil er so, eventuell, gerettet wird. Es wäre deshalb seelische Bescheidenheit des Spendens erfordert, was aber mit dem Wirtschaftssystem kollidierte.)

Meine sehr kleinen Einlassungen dazu werden Sie gelesen haben; im übrigen geht das Ganze in die Anderswelt-Metaphorik ein. 
        

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