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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 

skywriting

"Der "Raum der Sprache" umreißt ein nur kleines Feld in der Weite eines vorsprachlichen Raum des Unartikulierten. Und noch viel kleiner und umgrenzter nimmt sich darin der "Raum der Schrift" aus. ... Gleichwohl wurden von der Schrift aber neue soziale Räume geöffnet und Vorstöße in die Tiefenschicht des noch Unartikulierten unternommen. [1]

Das dreifache Bedürfnis der Schriftlichkeit: Flüchtiges festzuhalten, Unsichtbares sichtbar zu machen und Unartikuliertes auszusprechen. [2]

Doch erst, wenn kanonische Texte so unverständlich geworden sind, dass sie von Schriftgelehrten ausgelegt und gedeutet, von Entstellungen gereinigt, in andere Sprachen übersetzt und schließlich von kanonischen Texten abgegrenzt werden müssen - erst dann ist die ... Schriftkultur zu sich selbst gekommen. [3]

Erst das Internetzeitalter stelle die normativen Strukturen und Regeln der Schriftkultur wieder in Frage, seitdem Unsinn neben Sinn und Sagbares neben dem [bis dahin?] Unsagbaren und Unsäglichen stünden." [4]

[1] aber die Sprache klebt doch seit jeher an allem. was soll da "außerhalb" sein? es gibt keine "Tiefenräume des Unartikulierten". es gibt unbegrenzte nicht-räume, die "weißen Flecken" auf der sprachlich verfassten mind map.

[2] "flüchtiges": ja. "unsichtbares": nur im sinne von "nicht da". "und unartikuliertes": nein. das "bedürfnis" aber entsteht da wirklich. das ist eben die rückprojizierte welt, die die sprache und v.a. (metaphorische) schrift stiftet. die fixe vorstellung des "unsichtbaren" und "unartikulierten".

[3] ja, das leuchtet ein. vgl. dazu Lotmans semiosphäre, die an den grenzen, durch überlappungen und übersetzungen entsteht und sich ausdifferenziert.

[4] stimmt prinzipiell, abgesehen mal von dem lustigen weltuntergangstonfall, der die kommentare auch der klügeren akademiker kennzeichnet, die es nicht fassen können, dass gerade ihre ganze komplex ausdifferenzierte welt wegrutscht. (interessant ist, dass die 150 jahre alte sprachexplosion der tagtäglichen "medien" völlig fehlt, die quasi-mündliche schriftlichkeit (yellow press) und quasi-schriftliche mündlichkeit (audiovisuelle medien).)




SZ 23.5.08 print2web, Jan Assmann, Vortrag in Luzern

"Anyone looking for more complete accounts of hypertext/cybertext history should consult George Landow's Hypertext 2.0 (Johns Hopkins, 1997), Espen Aarseth's Cybertext (Johns Hopkins, 1997), Silvio Gaggi's From Text to Hypertext (U. Penn. Press, 1997), J. Yellowlees Douglas's The End of Books -- Or Books Without End? U. Michigan Press (2000), Noah Wardrip-Fruin and Nick Montfort's New Media Reader (MIT, 2002), or Montfort's forthcoming Twisty Little Passages (MIT), which concentrates on the much-neglected tradition of Interactive Fiction. Speaking of broader contexts, Lev Manovich's Language of New Media (MIT, 2001) provides an excellent counterweight to the text-obsessive view."

+ Ted Nelson, Docuverse
+ Bolter, Writing Space
>> jml's LibraryThing

... "Elektronisches Papier" von 1991 (dort auch weiter Galser-texte über computer und internet):

über den veränderten aggregatzustand von geschriebenem text. die neue dialektik von Reinschrift und Flüchtigkeit/Vorläufigkeit. das ausschalten der handschriftlichen arbeitsphasen, von analoge spuren, gekrakel, ins papier gegraben.

der neue text ist immer schon reinschrift und zugleich physisch gewichtlos. dazu kommt die zerstreute aufmerksamkeit, dadurch, dass der PC-Screen eine Über-Seite ist, die alles gleichzeitig sein kann -- mehrere fenster parallel, alles sofort aufrufbar wie gerade gedacht.

die interessante erfahrung, wenn man mit DarkRoom und zugeschaltetem Typo-sound das schrieben wieder künstlich dramatisiert, dem text "fokus" und "gewicht" verleiht.

vgl Stevan Harnad's Skywriting aus dem selben Jahr, das sich damals auf mail-basierte Newsgroups von wissenschaftlern bezog, wie die Rohrpost oder Luhmann.

        

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