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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 
auch weil ich gerade Handkes gelesene "Gestern unterwegs"-Notizen 2 stunden lang im auto gehört habe:

"Auf der Suche nach einer nichtlächerlichen Autorposition hatte Lt. Kyritz zuletzt bei Strauß und Handke haltgemacht. Nichts war unsympathisch gewesen ursprünglich an deren Idee der radikalen künstlerischen Existenz. Im Geist der Schrift aufzugehen und als Körper aus der Realwelt zu verschwinden: solange das eine Sehnsucht ist, kann es den kunstadäquaten Fundamentalismus der Schöpfung mit produktiven, hysterisch abstrakten Energien versorgen und vitalisieren.

wie lange aber kann ein Mensch
in einer solchen Extremposition überleben?

... zu viel Solipsismus, der durch Überpräsenz des Körperlichen, Sexuellen, Kollegialen und Betrieblichen sehr verständlicherweise ursprünglich getriggert worden sein konnte, führte die Autoren später, so auch Handke und Strauß, immer tiefer in die falschen Wälder des Rückzugs, die Stille der Natur, das Reden mit Pilzen und Bäumen. Das ist schlecht. Es gefährdet die Literatur von innen her auch, wenn das reale Kontaktmedium mit anderen Menschen, die Sprache als Instrument komplizierter Dispute und Auseinandersetzungen, zu wenig alltäglich zum Einsatz kommt. "

Nein und Ja. Schwierig. So wenig ich diesen Rückzugs-Konservatismus gutheiße, so scheinen doch bei beiden, Handke & Strauß, die diaristischen Text-Engines wesentlich differenzierter als die dazu geäußerte Ideologie. Wie also kann man statt bzw. zusätzlich zu "poetischen Eindrücken" andere Splitter der Außenwelt, gerade der medialen und supermodernen, in den Dienst nehmen, um die Kettenreaktion der Schreib-Ereignisse in Gang zu setzen & zu halten? Ohne dabei auch in diese geschmackvolle Blog-Ästhetik der Fotos aus der Alltagskultur zu verfallen, die mich irgendwann an anderer stelle unten in diesem Blog bei (guten) antville-Leuten gestört hatte?
Gregor Keuschnig meinte am 6. Jul, 12:09:
Wer sagt denn, dass Strauß und Handke einen "Rückzugs-Konservatismus" betreiben? Für mich ist es immer eher das Erschaffen einer Gegenwelt, die natürlich auf eine "Alltagswelt" reflektiert, aber nur höchst indirekt. Das ist nicht unbedingt ein Rückzug, sondern vielleicht besser ein - manchmal skurril anmutender, fast immer jedoch belebender - anderer Blick.

Ein Schriftsteller, der Alltagskultur "abbildet" oder sich an ihr abarbeitet, ist für mich nur langweilig. Man kann das aufpeppen mit Bonmots oder verkleiden, in dem die Protagonisten bspw. solipsistisch sprechen - das ist aber oft genug nur ein Witzeln, im besten Fall vielleicht noch ein Erregen. Ich habe so etwas zur Genüge bspw. in der Prosa der diesjährigen Bachmannpreislesungen gelesen - das war dann mehr oder weniger fast peinlich. 
jurijmlotman antwortete am 9. Jul, 10:50:
ja, verstehe ich ...
... wie goetz übrigens auch, möchte ich meinen. der eigentliche unterschied ist viel subtiler, glaube ich, und schwerer zu bennen. also sagen wir mal: wie die lücke zwischen "Niemand anders" und "Die Fehler des Kopisten", oder zwischen "Das Gewicht der Welt" und auch "Gestern Unterwegs" und andererseits "Die Wiederholung". die gegenwelt-ideologien der genannten sind ja schon eher befremdlich, aber die lücke selbst zwischen den büchern und schreibhaltungen, so weit sie denn fühlbar ist, ist ja schon wieder gescheite literatur. literatur, die die lücke nicht kennt, ist immer schlecht, sowohl auf der einen wie der anderen seite. gerade gestern in der krankenhaus-notaufnahme gern Sebald gelesen, "Austerlitz", das seit 5 Jahre ungelesen herumstand. 
        

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