... vorgestern abend in innsbruck 5 minuten aus dem eigenen blog gelesen: lehrreich weil peinlich. also gut. (meta-innsblog mit links ist hier.)
peinlich, weil blogs vorlesen das gegenteil von bloggen ist: da geht es ja gerade darum, dass man den körper endlich los ist und zusehenhören kann, wie aus dem fluss von textfragmenten und kurzschlussreaktionen eine eigene lautlose stimme sich ausprägt und changiert.
andere blogs gelesen hören: ebenso seltsam. wie die körperstimmen die textstimmen überlagern und fast immer abschwächen. tscheburaschka hören und hoffen dass die hörer doch irgendwie die besondere stimme hören, die da auf dem bildschirm so kräftig aus den sätzen herauskommt.
zuhören, wie assotsiatsion sich sympathisch-programmatisch verzettelt, mikro noch zu leise, wie er viel zuviel kommentiert, und nur dann, wenn er dann mal doch ins lesen kommt, plötzlich momentweise aufleuchtet, warum das ein wirklich großer, ein großes - ja was eigentlich: ein blog? ein text? viele texte? ein schreibstrom? literatur? eine kette von textereignissen. doch, in dem fall würde ich das schon literatur nennen. große "popliteratur" im substanziellen sinn. aber schwer zu sagen,worin genau da die unzweifelhafte qualität liegt. genius. aber man hat es, glaube ich, hier kaum gehört.
überraschungssieger des abends für mich: boombaye und limevalley. beste synthese von realstimmen und blogstimmen. weibliche pop-twenager-vitalität und schreiben/denken-können und stilsicherheit unangestrengt vereinend. so etwas war zu meiner zeit so noch gar nicht denkbar, kommt mir vor.damals war graswurzel-popliteratur definitiv jungssache (und schlechter).
wertvoll als kontrast: zeitlos schlechte provinzliteratur von schafferer, exemplarisch für leute, die irgendwie literarische sätze hinschreiben können und davon dann selbst haltlos begeistert sind. macht "literatur" so wie provinzbands, die einen "guadn sound" hinbekommen. das, was auf hohem niveau helmut krausser macht, den ich ja auch seinerzeit habe lesen hören, bei der popliteratur-lesungsreihe sage&schreibe in münchen mitte/ende der 80er, die eigentlich ziemlich öde war, aber pflicht. da war die provinzielle innsblog-lesung 2007 deutlich besser.
gut, das heißt gerade auch literarisch gut, einen tick zu selbstsicher vielleicht: brainfarts. nicht eigentlich blog-literatur. nicht so flüssig, nicht von kleinen text-kettenreaktionen getrieben. das kann das web schon auch: publikationsplattform zu sein für prägnante kurztexte, die literarisch sind im konventionellen sinn. fließende übergänge zwischen literatur-ins-blog-stellen und bloggen-schlägt-um-in-eine-eigene-sorte-literatur.
creekpeople gehört auch in den zusammenhang. tritt als literat auf, statt die beiläufigen kurzen blogsplitter zu lesen, die das beste an dieser art zu schreiben sind. popliteratur so betreibend, wie man in literatenzirkeln früher richtige literatur betrieben hat. begabt, aber schwer zu sagen für was genau. verhakt sich irgendwie in einem seltsam epigonalen hang zum kunststückhaften. fast schon wieder literaturarchiv-literatur. wenn nicht doch eben auch ein versteckter positiver pop-drive da drin wäre, ein spaß am dinge-zusammenstoßen-lassen, schon auch eine textstimme. am besten hörbar ist die, kommt mir jetzt gerade vor, in den verstreuten blogkommentarduellen mit assotsiatsion. guter vorleser, übrigens: in dem fall sollte die realstimme irgendwie in den text hinein. (umgekehrt wie bei tscheburaschka.)
fex: lyrisches sprechen im blog. interessant, wie das blog-beiläufige den druck aus texten nimmt, die abgedruckt in literaturzeitschriften achselzuckend überblättert würden. (so wie ich literaturzeitschriften überhaupt achselzuckend überblättere: literatur, die sich als "literatur" vorstellt, ist so tot.) konsumkinder: ein beispiel für den hohen qualitätslevel eines neuen mainstream-schreibens, den das web hervorgebracht hat. lustig, intelligent, ok. taratorka: und noch einmal (anders) der beweis, dass die kollektive textpraxis im web den einzelnen zu einer neuen souveränität hilft. [nachtrag: nach 2-3maligem nachlesen im blogtextstrom eindeutig zur oberliga des schreibens-im-blog zu zählen.] nichtlesung von nichtmädchen (bester nickname ever). überhaupt erstaunlich: wie da ausgerechnet hier auf einmal eine "szene" sichtbar wird, von der keiner weiß, warum und wie sie existiert. gibts die überall, und man bekommt es bloß nicht mit?
vermisst habe ich die textstimme von langreiter: es gibt eine merkwürdige schnittstelle, wo programmiersprachkompetenz und literatursprachkompetenz verfließen. wie in dem großen text Growing A Language, dessen link ich seinem hyperlakonischen und trotzdem unverwechselbaren web-urgesteins-blog verdanke.
vermisst habe ich auch frau morgenstern, die ja nun seit jahren in wien bloggt. soll immer besser werden, habe ich gehört, und sie war damals schon erstaunlich gut. hätte man die nicht per video zuschalten können, so wie jetzt am ende lu?
da war die gelungene zuspielung als medienereignis viel schlagender als der inhalt: das ewige missverständnis, dass das literarische am bloggen dadurch zu beweisen sei, dass man einen "gelungenen text" auskoppelt. anstatt die kleinen unauffälligen splitter zu lesen, die auch dort das beste sind. irgendwie witzig, alltags-orientiert, so wie ein bestimmter typus frauen halt schreibt, der gut & gern redet. was schon auch legitim ist, aber nicht besonders herausstellenswert.
überaus wertvoller text-flashmob, trotz verbesserungsfähiger form. das web will wirklich werden. (wieso?)
literatur lebt, das heißt, dass gerade der text leuten würde und authentizität verleihen kann, die sonst eben nur das wären: leute. eine würde und ein gewicht, die schon irgendwie angelegt sein mögen, aber die es eben noch nicht gibt. sondern erst, wenn sie sich in der blog-textstimme objektivieren. writing yourself into existence (blog-mantra).
p.s. und ich? ich mag meine realstimme nicht, und meine blogstimme auch nicht wirklich. aber sie ist eben die einzige, die ich habe. interessant deplatziert als lokaler platzhalter des nestors der 40+ popliteratur. als den-platz-offen-halter.
peinlich, weil blogs vorlesen das gegenteil von bloggen ist: da geht es ja gerade darum, dass man den körper endlich los ist und zusehenhören kann, wie aus dem fluss von textfragmenten und kurzschlussreaktionen eine eigene lautlose stimme sich ausprägt und changiert.
andere blogs gelesen hören: ebenso seltsam. wie die körperstimmen die textstimmen überlagern und fast immer abschwächen. tscheburaschka hören und hoffen dass die hörer doch irgendwie die besondere stimme hören, die da auf dem bildschirm so kräftig aus den sätzen herauskommt.
zuhören, wie assotsiatsion sich sympathisch-programmatisch verzettelt, mikro noch zu leise, wie er viel zuviel kommentiert, und nur dann, wenn er dann mal doch ins lesen kommt, plötzlich momentweise aufleuchtet, warum das ein wirklich großer, ein großes - ja was eigentlich: ein blog? ein text? viele texte? ein schreibstrom? literatur? eine kette von textereignissen. doch, in dem fall würde ich das schon literatur nennen. große "popliteratur" im substanziellen sinn. aber schwer zu sagen,worin genau da die unzweifelhafte qualität liegt. genius. aber man hat es, glaube ich, hier kaum gehört.
überraschungssieger des abends für mich: boombaye und limevalley. beste synthese von realstimmen und blogstimmen. weibliche pop-twenager-vitalität und schreiben/denken-können und stilsicherheit unangestrengt vereinend. so etwas war zu meiner zeit so noch gar nicht denkbar, kommt mir vor.damals war graswurzel-popliteratur definitiv jungssache (und schlechter).
wertvoll als kontrast: zeitlos schlechte provinzliteratur von schafferer, exemplarisch für leute, die irgendwie literarische sätze hinschreiben können und davon dann selbst haltlos begeistert sind. macht "literatur" so wie provinzbands, die einen "guadn sound" hinbekommen. das, was auf hohem niveau helmut krausser macht, den ich ja auch seinerzeit habe lesen hören, bei der popliteratur-lesungsreihe sage&schreibe in münchen mitte/ende der 80er, die eigentlich ziemlich öde war, aber pflicht. da war die provinzielle innsblog-lesung 2007 deutlich besser.
gut, das heißt gerade auch literarisch gut, einen tick zu selbstsicher vielleicht: brainfarts. nicht eigentlich blog-literatur. nicht so flüssig, nicht von kleinen text-kettenreaktionen getrieben. das kann das web schon auch: publikationsplattform zu sein für prägnante kurztexte, die literarisch sind im konventionellen sinn. fließende übergänge zwischen literatur-ins-blog-stellen und bloggen-schlägt-um-in-eine-eigene-sorte-literatur.
creekpeople gehört auch in den zusammenhang. tritt als literat auf, statt die beiläufigen kurzen blogsplitter zu lesen, die das beste an dieser art zu schreiben sind. popliteratur so betreibend, wie man in literatenzirkeln früher richtige literatur betrieben hat. begabt, aber schwer zu sagen für was genau. verhakt sich irgendwie in einem seltsam epigonalen hang zum kunststückhaften. fast schon wieder literaturarchiv-literatur. wenn nicht doch eben auch ein versteckter positiver pop-drive da drin wäre, ein spaß am dinge-zusammenstoßen-lassen, schon auch eine textstimme. am besten hörbar ist die, kommt mir jetzt gerade vor, in den verstreuten blogkommentarduellen mit assotsiatsion. guter vorleser, übrigens: in dem fall sollte die realstimme irgendwie in den text hinein. (umgekehrt wie bei tscheburaschka.)
fex: lyrisches sprechen im blog. interessant, wie das blog-beiläufige den druck aus texten nimmt, die abgedruckt in literaturzeitschriften achselzuckend überblättert würden. (so wie ich literaturzeitschriften überhaupt achselzuckend überblättere: literatur, die sich als "literatur" vorstellt, ist so tot.) konsumkinder: ein beispiel für den hohen qualitätslevel eines neuen mainstream-schreibens, den das web hervorgebracht hat. lustig, intelligent, ok. taratorka: und noch einmal (anders) der beweis, dass die kollektive textpraxis im web den einzelnen zu einer neuen souveränität hilft. [nachtrag: nach 2-3maligem nachlesen im blogtextstrom eindeutig zur oberliga des schreibens-im-blog zu zählen.] nichtlesung von nichtmädchen (bester nickname ever). überhaupt erstaunlich: wie da ausgerechnet hier auf einmal eine "szene" sichtbar wird, von der keiner weiß, warum und wie sie existiert. gibts die überall, und man bekommt es bloß nicht mit?
vermisst habe ich die textstimme von langreiter: es gibt eine merkwürdige schnittstelle, wo programmiersprachkompetenz und literatursprachkompetenz verfließen. wie in dem großen text Growing A Language, dessen link ich seinem hyperlakonischen und trotzdem unverwechselbaren web-urgesteins-blog verdanke.
vermisst habe ich auch frau morgenstern, die ja nun seit jahren in wien bloggt. soll immer besser werden, habe ich gehört, und sie war damals schon erstaunlich gut. hätte man die nicht per video zuschalten können, so wie jetzt am ende lu?
da war die gelungene zuspielung als medienereignis viel schlagender als der inhalt: das ewige missverständnis, dass das literarische am bloggen dadurch zu beweisen sei, dass man einen "gelungenen text" auskoppelt. anstatt die kleinen unauffälligen splitter zu lesen, die auch dort das beste sind. irgendwie witzig, alltags-orientiert, so wie ein bestimmter typus frauen halt schreibt, der gut & gern redet. was schon auch legitim ist, aber nicht besonders herausstellenswert.
überaus wertvoller text-flashmob, trotz verbesserungsfähiger form. das web will wirklich werden. (wieso?)
literatur lebt, das heißt, dass gerade der text leuten würde und authentizität verleihen kann, die sonst eben nur das wären: leute. eine würde und ein gewicht, die schon irgendwie angelegt sein mögen, aber die es eben noch nicht gibt. sondern erst, wenn sie sich in der blog-textstimme objektivieren. writing yourself into existence (blog-mantra).
p.s. und ich? ich mag meine realstimme nicht, und meine blogstimme auch nicht wirklich. aber sie ist eben die einzige, die ich habe. interessant deplatziert als lokaler platzhalter des nestors der 40+ popliteratur. als den-platz-offen-halter.
jurijmlotman - am Sonntag, 21. Januar 2007, 11:40 - Rubrik: neue deutsche literatur
Nichtmädchen meinte am 21. Jan, 13:06:
ich mochte ihre realstimme sehr (und nicht nur ich)
Nichtmädchen meinte am 21. Jan, 13:09:
und nichtmädchen ist auch nur deswegen ein guter blogname, weil er bei mir zufällig noch wie die faust aufs auge passt
Lu antwortete am 21. Jan, 14:19:
ein bestimmter typus frau.kennen wir uns jetzt, herr lotmann?
jurijmlotman antwortete am 21. Jan, 15:04:
nein. was ich kenne, und worum es hier geht: das sprecher-ich, in video und blog.-beim nochmallesen: ok, das war schon ein bisschen gemein.
muss halt jetzt so stehen bleiben. wird schon einen grund gehabt haben.
Lu antwortete am 21. Jan, 15:42:
zehn minuten zeit gehabt. sieben für den film, drei zum anfluchen der kamera. im hintergrund besuch, dem das essen kalt wurde, vor den türen kyrill. blogtypisch, fast.
(ich für meinen teil wäre lieber vor ort gewesen und hätte mir die wundervollen leute hinter der aufregung angesehen, die und die anderen.)
edit: das hat nichts zu tun mit gefallen wollen oder nicht. ich hab kein problem, wenn jemand text, stil, sprachfehler oder anderes nicht gut findet, weil es nicht jeder gut finden kann. allein dieses schubladendenken macht mir immer wieder zu schaffen, aber auch in anderen bereichen, von daher...
jurijmlotman antwortete am 21. Jan, 16:22:
ich hätte auch hier lieber die vielen kleinen blog-splitter gehört.gerne aus der küche: die zuspielung selbst war große klasse und hat hervorragend funktioniert.
Lu antwortete am 21. Jan, 19:28:
blogs vorzulesen ist immer schwierig und funktioniert - ich möchte fast 'leider' sagen- am besten vor bloggern, weil sie mit diesen schnipseln jeden tag leben. die beste blog-lesung zu der ich je zugegen war und auch las war letztes jahr im mai in hamburg, vor einem sehr vollen theater vor hauptsächlich bloggern und wo alles gelesen wurde. blog-schnipsel, kurzgeschichten, trauriges wie lustiges, da hats am besten funktioniert.
ich hielt innsbruck von beginn an für schwierig, weil blog-lit einem nicht bloggendem publikum vorzustellen eine echte herausforderung ist.
ich für meinen teil habe es so gelöst:
dem nichtmädchen habe ich alle daumen im vorfeld gedrückt, den lesenden, gerade den erstlingen, am abend alle beiden, und mir selber habe ich damit geholfen, einfach etwas aktuelles aus dem blog zu rupfen, was ich für blogtypisch halte, und eben nicht einen meiner lieblingstexte, die gefällig zum vorlesen sind. meiner war sehr holprig, und ich war nicht zugegen, um die resonanz abzufangen oder damit dann zu arbeiten.
nächstes mal.
und hey, noch nicht mal die technik hat gehakt? ich bin entsetzt!
frau hitt meinte am 21. Jan, 18:57:
interessanter beitrag, interessante diskussion - ich kann dazu nichts sagen, weil leider nicht anwesend ...:-(ich glaube, bloglesungen haben i.A. etwas schwieriges ...selbst bei dem blogs!-buch von don alphonso ist m.E. sehr viel verloren gegangen...zuviel ...
aber ich bin sehr auf den mitschnitt der lesung gespannt, um mir eigenes bild aus der ferne machen zu können.
grüsse aus dem fernen ffm.
assotsiationsklimbim meinte am 22. Jan, 14:05:
wirre überlegung dazu von meiner seite in extenso hier.hier nur kurz noch angemerkt @"bestimmte 'szene'": die gibt es, denke ich (und erlebe ich anderorts auch immer so), mittlerweile wirklich überall, aber die provinz hier ist natürlich ein besonderer glücksfall und guter nährboden, ohne dass man sich was drauf einbilden könnte natürlich.