aesthetik des protests
aging of pop
alte deutsche literatur
archiv_aufsaetze
cento
computational humanities
die spd neu erfinden
digital lifestyle
DOWNLOAD tagebuchliteratur
dylan
emerging democracy
first life
goetzblog
ich
journalintime
language games
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 
... der mahnung folgend, begünstigt von heuschnupfen-nacht:

zuerst immer: der widerwille gegen so kunststückerln. so wie bei Passig, letztes jahr. kunst kommt nicht von kunststückerl. und sprachspiel-literatur, jetzt nicht im Wittgenstein-sinn verstanden, mag ich auch nicht. wie ich ja auch lustig gemeintes nicht mag, und ironie nur dann, wenn sie richtig schmerzhaft selbstquälerisch ist, nicht spielerisch selbstquälerisch. wobei natürlich die üblichen Klagenfurt-kunststückerln noch viel viel schlimmer sind.

erinnert dann erst mal irgendwie [sic] an, natürlich, Thomas Bernhard. was mich zu der alten frage bringt, was genau jetzt eigentlich das gute daran ist, das ich ja auch nie so recht verstanden habe, bei grundsätzlicher achtung. (die textmaschine, offenbar, sagte ich mir später.) ich erinnere mich, dass damals Meinecke auf eine (meine) jugendlich unbedarfte Bernhard-rezension hin, in einer selbstgemachten Münchner lifestyle-illustrierten, von Gisela Oswald herausgegeben, die dann im Münchner lokal-TV die boulevard-bürgerfragen-talk-tante wurde, in der der junge Georg Oswald, ihr bruder, seine laufbahn begann (der war noch nicht in Klagenfurt, oder?), dessen erste gedruckte verbohrt-juristischen münchner geschichten ich dann bei einer sehr viel späteren lesung einmal sehr gut fand. dass also Meinecke Bernhard gut fand, was nachträglich angesichts seiner eigenen erfolgstexte schon einleuchtet, bei denen ich im übrigen auch nie ganz genau weiß, wie sehr ich das mag, bei grundsätzlicher achtung. wie auch die musik von FSK. (wie ist eigentlich "sonnendeck"? gibts das als mp3?)

dann erinnert mich das ein wenig an Kafka, die spiralen. was natürlich immer zuungunsten eines textes ausgeht, denn Kafka ist ja nun aus jetzt wirklich ganz schwer erklärbaren gründen richtig gut, wie ich erst kürzlich anhand des großartigen Nomaden-kunststückerl-textes (#)wieder entwaffnet feststellte. aber wenn ich PeterLicht wäre, würde ich mich schon fragen, was an Kafkas kurzen texten jetzt eigentlich genau so gut ist.

(nun widerwille gegen das eigene, eigentlich völlig unbeabsichtige kunststückerl-metatexterl schreiben, ich wollte nur notizen machen, aber al fresco, beschließe ich, ist das ok. wie immer die uncoole entschuldigung in den text einschließend, weil cool wäre es einfach hinzustellen, was ich nicht kann, weshalb ich da auch nie wirklich gut war.)

schon auch an Goetz erinnernd, ganz ehrlich gesagt auch die eigenen natürlich weniger brillanten frühen versuche, was die spiralenhaft selbstgesprächige text-maschine angeht. ein wenig mehr Stuckrad-Barre, wenn ich mich jetzt recht daran erinnere: die werbetexterhafte art, in der die sprache zu gebote steht. in diesem fall aber besser als stuckrad-barre, weil das überbordende werbertexterhafte zu gebote stehen der sprache ja zugleich textinhalt ist.

sollte ich eigentlich vergleichen mit Richard Ford, dessen langtexte, insbesondere Der Sportreporter, großartig sind. bei Ford ist da auch so etwas angenehm menschenfreundliches in der eigentlich natürlich depressiven textmaschine, was mich noch weiter zurückerinnert an Ford Maddox Ford, Die allertraurigste Geschichte, ein text den ich nun wirklich (und völlig überraschend) groß fand seinerzeit. vielleicht sollte PeterLicht den auch noch lesen.

(aber nur die Romane, und nicht, oder weitaus weniger die Hemingway-isierenden und Carver-isierenden Short Stories von Richard Ford über pubertierende Jugendliche aus Scheidungsfamilien bei der Entenjagd.)

erinnert mich schon auch an Martin Fritz, den ich mir wieder recht gut in Klagenfurt vorstellen kann, als fortsetzer der Goetz-Passig-Licht-linie. wo ja, für mich, auch immer die frage offen war, wie man das selbstverletzende unperfekte element der diaristischen textmaschine in ein künstlich hergestelltes stück hinüberretten kann. oder ob das überhaupt geht. was ja auch die kernfrage bei Goetz ist, schon in den frühen Spex-texten, von denen mindestens einer, erinnere ich mich dunkel, sehr gut war, und großartig außer kraft gesetzt, korrekter weise nicht beantwortet, in Abfall für Alle. was zu Klage zurückführt, was ja auch eine zum teil recht merkwürdige textmaschine ist, die aber gelegentlich richtig gute stücke erzeugt, was ja eigentlich genau das ist worum es geht. das wäre natürlich schön: Goetz, 24 Jahre später, in Klagenfurt aus Klage lesend, und am ende dann preisträger.

(wobei mich die meisten Goetz-texte dazwischen, also nach 1986 und vor 1999, eher kalt gelassen haben, bei grundsätzlicher achtung.)

so. jetzt muss ich noch den rest vom Licht-text lesen.
jurijmlotman meinte am 11. Jul, 05:15:
hier also der text. an dem ich am besten schon fand: die werbetexterhafte sprachkompetenz, die durch semiose immer wieder über sich selbst hinausgelangt und ganz selbstzweckhafte schöne sätze und wort-cluster erreicht, die gut sind, gut im sinn von gelungen. (überhaupt, der ex negativo-test ist eindeutig: nirgends ist ein störend schlechter satz, der so da nicht stehen dürfte.) der live-ticker dazu (schöner ausgedrückt hier: "depeschen") in der Welt, mit nicht unkompetenter, aber semi-unsympathischer berichterstatter-stimme. die dann sagt, dass der Licht-text "die beine weggeschlagen" hätte. was zwingt, das nochmal zu lesen. wieso denn das jetzt? wenn das irgendwem die beine wegschlägt, muss ich doch noch etwas verpasst haben. Licht ist von Radisch vorgeschlagen? ausgerechnet. wobei mir ja immer antipode Corino sympathisch war auf seine komplett humorlose kulturkonservative-68er art. (hat auch ein großes Musil-buch geschrieben.) was am ende also heißt, dass ich den Licht-text gut finde. ausnahmsweise. 
jurijmlotman meinte am 11. Jul, 05:57:
off topic: bei anh vorbeigeschaut. "The day after yesterday is always today. Der einzige Nicht-Zufall bei dieser Zusammenführung aller drei Tagebuchschreiber war wohl ich, da ich ja eh hier bin." 
jurijmlotman meinte am 11. Jul, 12:43:
dritte fussnote
mal wieder die dt. literaturblogs sammeln, anlässlich von PeterLicht, und als Feed bündeln später:
malorama
camp catatonia
goncourts (wg. überhaupt)
wasweissich
creekpeople, natürlich.
vigilien

hat eigentlich praschl ganz aufgehört, nach wechsel zu Matador? was ich dann sehr bedauere und doch irgendwie verstehe. (ich habe mir ja tatsächlich jetzt mal das heft gekauft.) 
assotsiationsklimbim meinte am 18. Jul, 16:48:
zu alledem habe ich natürlich jede menge von anmerkungen, die ich aber erst in ruhe machen kann, wenn ich aus dem urlaub zurück bin, in ein bis zwei wochen sowas. 
assotsiationsklimbim meinte am 7. Aug, 13:25:
also der reihe nach:

der passig-vergleich gilt eben nicht. passig war wirklich das, was licht zu unrecht unterstellt wird, also eben kunststückerl um des kunststückerls willen, bisschen den betrieb verarschen etc. (merkt man besonders, wenn man sie nach klafu so mal lesen gesehen hat: da kommt einfach gar nix mehr); dass die licht-textmaschine das eben nicht ist, versteht man automatisch, wenn man sein gesamtwerk kennt (muss ich jetzt mal einfach so behaupten, das wäre zu langwierig zu argumentieren). "sonnendeck" ist übrigens nur zufällig ein hit geworden und einer seiner schlechtesten "songs", erschienen auf einer frühen sammlung von verschiedenen skizzen und entwürfen namens "14 lieder". die beiden nachfolgealben, die diesen namen auch verdienen, dürfen mit recht als die speerspitze deutscher popsprachverwendung gelten (in etwa die klasse von "monarchie und alltag" oder frühe blumfeld). bei interesse daran lade ich das gerne gezippt auf eine runterladplattform hoch und schicke den link. das buch kann man auch empfehlen, allerdings mit abstrichen (mehr was für den fan).

bei bernhard ist bekannt, dass der für mich nicht in frage kommt, weil zu wenig schick, dazu kann ich also nichts sagen. kafka wäre mir nicht eingefallen, aber eigentlich stimmt es wohl. goetz weiß ich nicht, aber wenn es für den angeklagten spricht, meinetwegen. stuckrad-barre finde ich nicht, der schlägt für mich mehr in richtung passig. ford habe ich nichts gelesen (fehler?).

insgesamt (und das ist sauschwer zu argumentieren, weswegen ich es eigentlich aufgegeben habe) ist licht für mich eben einer von uns, also gut, passig ist das nicht. ich kann auch nichts ironisches oder "witziges" im licht-text finden, der ist wirklich so, wie er ist. jedenfalls kenne ich derzeit keine besseren aussagen in den systemen pop und literatur über den zustand an sprachverwendung und welt im deutschsprachigen raum als licht. das sagt natürlich auch was über genau den zustand, aber den hat er sich ja nicht ausgesucht (siehe auch: meine langwieriger abwehrkampf bei der tocotronic-verteidigung). 
jurijmlotman antwortete am 9. Aug, 11:58:
kann ich alles nachvollziehen.ironie und unernst habe ich ja nicht unterstellt, der text war mir zu eigenem erstaunen sympathisch ("einer von uns") , nur eben diese suspekte selbstläuferhafte sprachspiel-gewandtheit. dass es ein kunststückl werden muss, ohne dass das jetzt zynisch geplant war. stuckrad-barre war da etwas gemein, eben einfach nur, um das "werbetexterhafte zu-gebote-stehen-der-sprache" zu benennen. dass das wiederum tragik der zeit/generation ist, leuchtet mir ein. licht-platten hätte ich gern, natürlich. 
jurijmlotman antwortete am 9. Aug, 12:02:
"wie man das selbstverletzende unperfekte element der diaristischen textmaschine in ein künstlich hergestelltes stück hinüberretten kann" 
assotsiationsklimbim antwortete am 10. Aug, 11:09:
die files laden sich gerade hoch, wenn das gutgeht, geht ein mail an die gmail-adresse. 
jurijmlotman antwortete am 13. Aug, 12:16:
muchos gracias. muss es aber erst noch konzentriert hören. 
        

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma