... hier in eigensinnig verkürzter und zusammengeschnittener form. original lesen auf telepolis. ahnungslose fragen (journalistenschülerin, 22, aber "fachmann" bernd graff von der sz wäre garantiert nicht besser gewesen), großartige antworten. (macht man so was eigentlich per e-mail? IM?)
"Personen ... sind so etwas wie die Summe von völlig unverbundenen Authenzitäts-Trümmern. ... In meinem Weblog will ich unter anderem das Konstrukt "Intimität".. in den Medien untersuchen ... dass sich ein einigermaßen "wahres" Bild von Welt ohnehin nur zusammenbasteln lässt, quasi aus vielen Korrespondentenberichten, die alle untereinander hochgradig vernetzt sind. ... Und dass mich als Schreiber alles interessiert, womit man Texte veröffentlichen kann, versteht sich von selbst. ... Sie hat sich wohl in meine Texte verknallt - und dabei gedacht, sie wären nicht von mir, sondern von jemand anderem, den sie von früher her kannte und der sich nur als "praschl" ausgab. Wenn ihre Dämonen sie jagten, fand sie in meinen Texten Zeichen dafür, dass ich nur für sie geschrieben hätte, mit ihr auf diese Weise kommunizieren wollte. ... Was heißt schon real? Warum gilt eine Beziehung, die über Brieffreundschaft, Mails, Handys, Telefone, Chats, Weblogs oder Flaschenpost funktioniert, als weniger wirklich als eine Beziehung von Körpern in physikalisch eindeutig definierbaren Räumen? Es kommt mir merkwürdig vor, dass Menschen, deren Verkehr zum allergrößten Teil Austausch von Wörtern ist, dann doch immer wieder diese Unterschiede zwischen virtuellem und "realem" Leben machen. ... In der Blogosphäre entstehen Freundschaften zwischen Menschen, die einander durch Wörter, Texte näher kommen als viele Körper, die sich aufeinander einlassen. Ich komme mit Menschen zusammen, weil sie ähnliche Weltbilder und Psychen haben wie ich, und nicht nur, weil sie einfach in derselben Straße in Bahrenfeld wohnen. ... So wie der Spiegel in Kriminalfilmen beweist, ob jemand noch lebt, so beweist mir das mein Weblog. ... Weblog-Texte [sind] oft beinahe so etwas wie eine Körperäußerung. Als wären sie Atem."
"Personen ... sind so etwas wie die Summe von völlig unverbundenen Authenzitäts-Trümmern. ... In meinem Weblog will ich unter anderem das Konstrukt "Intimität".. in den Medien untersuchen ... dass sich ein einigermaßen "wahres" Bild von Welt ohnehin nur zusammenbasteln lässt, quasi aus vielen Korrespondentenberichten, die alle untereinander hochgradig vernetzt sind. ... Und dass mich als Schreiber alles interessiert, womit man Texte veröffentlichen kann, versteht sich von selbst. ... Sie hat sich wohl in meine Texte verknallt - und dabei gedacht, sie wären nicht von mir, sondern von jemand anderem, den sie von früher her kannte und der sich nur als "praschl" ausgab. Wenn ihre Dämonen sie jagten, fand sie in meinen Texten Zeichen dafür, dass ich nur für sie geschrieben hätte, mit ihr auf diese Weise kommunizieren wollte. ... Was heißt schon real? Warum gilt eine Beziehung, die über Brieffreundschaft, Mails, Handys, Telefone, Chats, Weblogs oder Flaschenpost funktioniert, als weniger wirklich als eine Beziehung von Körpern in physikalisch eindeutig definierbaren Räumen? Es kommt mir merkwürdig vor, dass Menschen, deren Verkehr zum allergrößten Teil Austausch von Wörtern ist, dann doch immer wieder diese Unterschiede zwischen virtuellem und "realem" Leben machen. ... In der Blogosphäre entstehen Freundschaften zwischen Menschen, die einander durch Wörter, Texte näher kommen als viele Körper, die sich aufeinander einlassen. Ich komme mit Menschen zusammen, weil sie ähnliche Weltbilder und Psychen haben wie ich, und nicht nur, weil sie einfach in derselben Straße in Bahrenfeld wohnen. ... So wie der Spiegel in Kriminalfilmen beweist, ob jemand noch lebt, so beweist mir das mein Weblog. ... Weblog-Texte [sind] oft beinahe so etwas wie eine Körperäußerung. Als wären sie Atem."
jurijmlotman - am Montag, 30. Januar 2006, 09:53 - Rubrik: neue deutsche literatur
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"... einer Reihe (1) von graphisch und inhaltlich klar voneinander abgesetzten Teiltexten (2) ohne direkten Adressaten, (3) die explizit oder implizit datiert und chronologisch geordnet sind, (4) die explizit oder implizit auf Ausschnitte einer außertextuellen ‚Wirklichkeit’ verweisen (5) und in denen das schreibende Subjekt, das durch den ‚diaristischen Pakt’ mit dem Autor identifiziert wird, explizit oder implizit präsent bleibt."
also ist das blog klar ein tagebuch. genau genommen: ein diaristischer text. die unterscheidung zwischen papier und digitaler form habe ich damals aus ignoranz nicht vorgenommen, obwohl ja am ende goetz schon mit "abfall für alle" im netz war. ich erst seit ende 99.
gerade erst seit sehr langem selbst wieder gelesen. und mich über die 220 downloads gewundert: das ist ja doch recht speziell akademisch argumentiert. fragt sich natürlich, ob die downloader auch leser sind (ich kopiere ja auch alles, was mich irgendwie interessiert, sicherheitshalber).
also ist das blog klar ein tagebuch. genau genommen: ein diaristischer text. die unterscheidung zwischen papier und digitaler form habe ich damals aus ignoranz nicht vorgenommen, obwohl ja am ende goetz schon mit "abfall für alle" im netz war. ich erst seit ende 99.
gerade erst seit sehr langem selbst wieder gelesen. und mich über die 220 downloads gewundert: das ist ja doch recht speziell akademisch argumentiert. fragt sich natürlich, ob die downloader auch leser sind (ich kopiere ja auch alles, was mich irgendwie interessiert, sicherheitshalber).
jurijmlotman - am Donnerstag, 19. Januar 2006, 21:20 - Rubrik: neue deutsche literatur
... das ergibt merkwürdige interferenzen. vor kurzem anh in innsbruck getroffen, bei einer lesung. in persona, d.h. eigentlich ja: im fleische. sofort autogramm geben lassen, in den zweiten anderswelt-roman, den ich auf diese weise auch lese. so dass ich nun drei autogramme habe: bo diddley, peter hein, alban nikolai herbst.
das sind gleichsam die spuren, die beweisen, dass sich die beiden universen einen kurzen moment lang sehr peripher überschnitten haben. und sie machen um so deutlicher, dass es eben zwei grundverschiedene universen sind.
bezeichnend: wusste überhaupt nur, dass anh da ist, weil assotsiatsion das gebloggt hat. bezeichnend, weil ich den auch im grunde nur über das netz kenne.
danach begonnen, systematischer über die eigenart von "conversations" im web nachzudenken. bruchstücke zu einer conversation theory. warum die sich einerseits so "körperlich" anfühlen (im sinne von barthes: "körper des textes") und andererseits eben eigentlich doch gar nichts mit mensch-in-fleisch-und-blut zu tun haben. der kommt dann einfach dazu, und ist etwas ganz anderes. (das ist völlig unmisanthropisch gemeint.)
zugleich ist es ja so, dass man per blog-conversation freundschaftliche kontakte sehr gut begründen kann, nach meinen erfahrungen haben sie sich in der realwelt sogar immer bewährt. aber dass dürfte ja eher daran liegen, dass die persona sich eben in beiden medien-ebenen ausdrücken kann: durch das fleisch hindurch, oder eben durch die schrift (zumal wenn sie schnelle reaktionen zulässt und lebensähnlich wird wie in der blogosphere).
als ich noch über autoren der 20er jahre schrieb, habe ich es natürlich sehr bedauert, dass die (zum teil erst seit wenigen jahren) schon tot waren. und zugleich wusste ich, dass ich sie zwar gern getroffen hätte (komischer weise gerade die rechten: salomon und bronnen, weniger noth und glaeser), dass ich sie aber nichts substanzielles zu den mich interessierenden themen hätte fragen können. zeitzeugen sind nichtssagend.
oder auch: natürlich würde ich gern bob dylan treffen. aber was um himmels willen würde dabei herauskommen? nichts. das ist ja gerade sein dauerthema: dass das werk so groß ist, dass es die person am ende merkwürdig leer und nebensächlich erscheinen lässt.
umgekehrter fall: townes van zandt (da gibt es auch einen doku-film gerade im kino). jemand der sich von vornherein leer fühlte und sich dann (nachdem er dylan gehört hatte, 1964) am leben hielt, indem er beschloss, gitarre zu lernen und todtraurige perfekte songs zu machen. kostprobe: hier, ich empfehle "Nothin" oder "Rex's Blues". irgendwann starb er dann doch.
das sind gleichsam die spuren, die beweisen, dass sich die beiden universen einen kurzen moment lang sehr peripher überschnitten haben. und sie machen um so deutlicher, dass es eben zwei grundverschiedene universen sind.
bezeichnend: wusste überhaupt nur, dass anh da ist, weil assotsiatsion das gebloggt hat. bezeichnend, weil ich den auch im grunde nur über das netz kenne.
danach begonnen, systematischer über die eigenart von "conversations" im web nachzudenken. bruchstücke zu einer conversation theory. warum die sich einerseits so "körperlich" anfühlen (im sinne von barthes: "körper des textes") und andererseits eben eigentlich doch gar nichts mit mensch-in-fleisch-und-blut zu tun haben. der kommt dann einfach dazu, und ist etwas ganz anderes. (das ist völlig unmisanthropisch gemeint.)
zugleich ist es ja so, dass man per blog-conversation freundschaftliche kontakte sehr gut begründen kann, nach meinen erfahrungen haben sie sich in der realwelt sogar immer bewährt. aber dass dürfte ja eher daran liegen, dass die persona sich eben in beiden medien-ebenen ausdrücken kann: durch das fleisch hindurch, oder eben durch die schrift (zumal wenn sie schnelle reaktionen zulässt und lebensähnlich wird wie in der blogosphere).
als ich noch über autoren der 20er jahre schrieb, habe ich es natürlich sehr bedauert, dass die (zum teil erst seit wenigen jahren) schon tot waren. und zugleich wusste ich, dass ich sie zwar gern getroffen hätte (komischer weise gerade die rechten: salomon und bronnen, weniger noth und glaeser), dass ich sie aber nichts substanzielles zu den mich interessierenden themen hätte fragen können. zeitzeugen sind nichtssagend.
oder auch: natürlich würde ich gern bob dylan treffen. aber was um himmels willen würde dabei herauskommen? nichts. das ist ja gerade sein dauerthema: dass das werk so groß ist, dass es die person am ende merkwürdig leer und nebensächlich erscheinen lässt.
umgekehrter fall: townes van zandt (da gibt es auch einen doku-film gerade im kino). jemand der sich von vornherein leer fühlte und sich dann (nachdem er dylan gehört hatte, 1964) am leben hielt, indem er beschloss, gitarre zu lernen und todtraurige perfekte songs zu machen. kostprobe: hier, ich empfehle "Nothin" oder "Rex's Blues". irgendwann starb er dann doch.
jurijmlotman - am Mittwoch, 18. Januar 2006, 22:31 - Rubrik: neue deutsche literatur
... interview in zitty, u.a.: "Die normative Kraft des Faktischen ist ein Klassiker des scheinbar Plausiblen. ... Popmusik ist nichts anderes als ein kulturelles Format, das mehr oder weniger widerspiegelt, was in Bewegung ist. Es hat den Vorteil, dass es schnell und unverfälscht ist, so dass eben auch Stimmen, die in gesellschaftlichen Unrechtsverhältnissen nicht zu Wort kommen, darin eher zu Wort kommen, aber eben auch die gesellschaftliche Konjunkturentwicklung - und das ist gar nichts Neues. ... Die Konstellation aus Buena Vista Social Club, Tom Waits und Diana Krall - die ist das Problem. Die erstickende Ausweglosigkeit, die bereits den Raum erfüllt, in dem Moment, in dem man diese drei Namen hintereinander sagt, vielleicht noch Elvis Costello dazu. Das heißt aber nicht, dass jeder einzelne von denen ganz schrecklich ist, das kann man den armen alten Männern vom Buena Vista Social Club ja nicht vorwerfen. Es ist der Satz, den ich aus diesen Elementen bilde. ... Was ist der Soundtrack der Neokonservativen? Will man den kennen? Ich glaube, anhand ihres Soundtracks würde man erkennen, dass sie Angst haben. Die versuchen gerade, ihren kulturellen Bereich auszudehnen, und da können sie schrecklich viele Fehler machen. Daher müssen sie Sicherheiten herstellen. ... Aber ist das nicht ein elendes Projekt: endlich so sein wie der Kapitalismus immer schon war?... In diesem Berliner-Mitte-Nachtleben gibt es natürlich sehr viel Neoliberales. Ich nenne das immer: CDU-Koksen. Diese Mischung ist so seit 1995/96 ratifiziert. ... Neokonservatismus führt also zu einem neuen Spießertum. Absolut. ... Ein anderer Punkt ist, dass es kaum noch Perspektiven jenseits von Karriere gibt. In diesem Sinn war Popmusik auch immer ein Versprechen.Ein Versprechen und ein Reservoir. Eine Ressource an Argumenten. "
via das mercedes-bunz-blog auf twoday. und web 2.0-ausgabe von debug ist als pdf da und sieht gut aus. via live.hackr. und da ist auch ein gutes pophistorisches interview mit mark stewart (ex-popgroup) drin, übder den geist von punk-funk.
via das mercedes-bunz-blog auf twoday. und web 2.0-ausgabe von debug ist als pdf da und sieht gut aus. via live.hackr. und da ist auch ein gutes pophistorisches interview mit mark stewart (ex-popgroup) drin, übder den geist von punk-funk.
jurijmlotman - am Sonntag, 8. Januar 2006, 23:47 - Rubrik: aging of pop
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"ich kann es zwar nicht genau erklären, und weiß auch nicht wie es gehen sollte, aber wir arbeiten dran, ich-schreiben ohne ich-ag-gift." (#)
jurijmlotman - am Mittwoch, 4. Januar 2006, 11:36 - Rubrik: neue deutsche literatur