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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 

emerging democracy

(war kommentar auf netzpolitik.)

ja, das gesetz ist ein fall für die mülltonne, und ja, frau von der leyen weckt auch in mir allergische reflexe (v.a. nachdem ich ihre horror-rede in tutzing sehen und hören konnte). aber es ist stumpf und sinnlos, unter gleichgesinnten sich begeistert immer nur neu die eigenen aversionen zu bestätigen, wie es häufig (durchaus nicht immer) geschieht.

drei punkte sind für mich nachdenkenswert:

(1) wahr ist ja, dass eine intensive debatte und das crowdsourcing von web-kompetenz zum schlüssel- und auch symbolthema “kinderpornographie” tatsächlich erst durch von der leyens vorstoß ausgelöst worden ist. warum?

schön wäre es, wenn in zukunft eine digital-direkte demokratische bewegung selbst imstande wäre, diese beeindruckende energie, die man jetzt sieht, auf lohnende ziele zu richten. nicht nur über den staat zu jammern (mit grund, natürlich), nicht nur zu reagieren, sondern selbst politik zu *machen*.

(2) und, das hängt zusammen, es ist hochinteressant, erstaunlich und erschreckend, wie wenig *irgendwer* zum thema “Kinderpornographie im Internet” weiß. es sieht ja für mich laien so aus, als ob Alvar Freudes recherchen (und ihre vorläufer) überhaupt der erste ernstzunehmende versuch sind, sich auch nur eine annähernde idee davon zu verschaffen. traditionell wäre das ja die (inoffizielle) aufgabe “der medien” gewesen, also der alten medien, deren versagen hier so richtig erst greifbar wird. auch das spricht für eine plattform für web-basierte politik, wie sie jetzt gerade zu emergieren scheint.

(3) was auch hier für mich zum ersten mal so richtig greifbar wird, ist die notwendigkeit, ein projekt “Mainstream 2.0″ zu beginnen und voranzutreiben. was jetzt nicht mehr geht, ist die bisherige gemütliche aufteilung in ahnungslose ausdrucker draußen und web-insider innen (die wieder in 1990er-Linux/Admin-Veteranen und Web2.0er zerfallen).

das großartige an der ganzen sache: in den letzten zwei monaten ist plötzlich eine ganz neue qualität von deutscher web-öffentlichkeit und web-politik entstanden. web-politik hat hier in D. ja überhaupt erst einmal eine wichtige (und kaum bemerkte!) politische Rolle gespielt: als die herumgemailten stoiber-videos und gabriele paulis homepage-gästebuch den fall der CSU auslösten.

unfassbar, was auf einmal alles an guten informationen, statements, live-streams, präsentationen, videos, diskussionen, gutachten, bundestag-anhörungen greifbar ist. Tipping Point?

Hans Dichand blogt. cool, irgendwie.

... ja, frau hitt ... jetzt wird es ja überraschend schnell ernst damit.
der beginnende wahlkampf plus der (mutmaßlich kakophonische) rekonstruktionsprozess wird jedenfalls hier begleitet werden müssen.
wenn jetzt schon 20 zu allem entschlossene und begabte blogger bereit stünden ... man könnte wirklich wirkung erzielen. zu spät.

... muss tatsächlich ernsthaft analysiert werden, anders als bis jetzt. ekel vor "wettbewerb"-rhetorik allein reicht nicht, weil das zwar alles flach und deppert ist, aber doch eine realität ansatzweise abspiegelt, die die konkurrierenden diskurse (wie der altlinke) offenbar überhaupt nicht mehr streifen. das schröder-blair-papier als avancierteste formulierung (1:1 gegenwärtiger mainstream) detailliert analysieren. bereits nach ersten ansätzen sehr interessant. sehr guter text dazu auch: das rummenigge-interview in der neuesten sz, in dem er die höchstbezahlung von fußballern als anspornendes gesellschaftsmodell für die kranke brd verkündigt.

... ein manifest (von horx, trend- und zukunftsforscher seit 1985): "Spätestens, wenn man anfängt, Fragen außerhalb des der kritischen Konformität zustellen, ist Schluss mit lustig."

immer noch so tuend als seien "die 68er" der mainstream, und sie immer neu überwindend. das hippie-bashing, das gutmenschen-verarschen, das schluss-mit-den- verkrampften-linksideologien, vor allem das sich-dabei-als-revolutionärer-geist gerieren. die linie horx - haraldschmidtfan - illies - broder - tarantinofan - sloterdijk - fan-von-billigen- 70erjahre-porno-film- soundtracks ... wie konnte das mit dem 1980er-medien-bewusstsein nur so grotesk schief gehen? wie konnte sich das grundfalsche mit dem ansatzweise richtigen so ekelhaft mischen, dass man gar keine lust mehr hat, das anstrengend auseinander zu klauben, womit man den-ganz-den-anderen das feld immer gleich überlässt? (eine frage, die sich etwa meinecke immer wieder ausdrücklich stellt, aber ich habe seine antworten vergessen)

gedankliche vertiefung: horx, die reise nach Ichtopia

... hier das alte papier, am besten im vergleich zum kommunistischen manifest.
essay: what is neoliberalism, der das leitbild der stadt düsseldorf von 1997 zitiert:

"Düsseldorf bekennt sich zum Prinzip des Wettbewerbs. Der Erfolg von Städten entscheidet sich im Wettbewerb nach innen und aussen. Wettbewerb ist treibende Kraft unseres gesellschaftlichen Systems. Im zusammenwachsenden Europa gilt dies in hohem Masse auch für die Beziehungen zwischen den Regionen, die als Wirtschaftsstandort, als Lebensraum für die Bürgerinnen und Bürger und als Kulturstandort miteinander konkurrieren. Sich hierzu bekennen heisst, den Wettbewerb aufnehmen und aktiv gestalten zu wollen. Im Wettbewerb besteht nur, wer gut ist. Düsseldorf will Wettbewerb. Im Interesse der vielen Millionen Menschen des Lebens- und Wirtschaftsraums: Düsseldorf will besser sein."

... in Google steht scribbleblog damit ja auf platz 1 (von 4), aber der andere ist ausgerechnet peer steinbrück. entweder-oder. dazu auch dieses feine zitat-zitat von einer dkp-seite aus DER ARBEITGEBER:
Schröder muß ”das ‚Modell Tony Blair‘ gleichsam rückwärts anwenden: Der englische Premier hat zuerst New Labour geschaffen, bevor er Regierungsverantwortung übernahm. Schröder ist zuerst von einer ‚Neuen Mitte‘ gewählt worden. Jetzt muß er die SPD neu erfinden, um diese ‚Neue Mitte‘ auch politisch zufrieden stellen zu können.” (Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, in DER ARBEITGEBER,
4/51-1999)

... bei einem kurzen heimatbesuch in dem kleinen oberbayerischen dorf, in dem ich aufgewachsen bin, sehr zufällig und sehr überraschend auf eine angenehme clique junger spd-aktivisten gestoßen, mit einem bein in der profi-politik, die da einem der ihren einen kollektiven besuch abstatteten.

erstaunlich: ein 1968-revival, von dem ich nie etwas bemerkt hatte. wie ein besonders entlegener teil des zeitlosen tribalism, der ja in den 80ern einsetzte, als alle "jugendbewegungen" und subkulturen als kleine zirkel nun nebeneinander fortgeführt wurden, scheinbar 1:1, aber natürlich ihren inneren charakter vollkommen wechselnd. gothics, skins, und jetzt eben junge männer im cordanzug und mit gewollt nicht-gepflegtem schütterem barthaar, die aussahen, als ob sie marx lesen, aber ohne die alte linkssektiererische verbiesterung der 70er jahre. erstaunlich unfrustriert, gewillt zum nötigen doppeldenken, im system gegen das system. das war mir völlig neu, dass so etwas wieder existiert.

blogs allerdings waren völlig unbekannt. deshalb gleich die gelegenheit genutzt, um das "spd neu erfinden"-projekt zu propagieren: 50 vernetzte und zu allem entschlossene quasi-berufs-blogger sollten genügen, um einen mächtigen gegenentwurf zur bankrotten haupt-partei zu erzeugen. erster basis-link zum thema: david weinbergers "loose democracy"-blog (01/2004 - 11/2004).

samizdata_btn_03

… the old media, as instapundit’s glenn reynolds has blogged in The Guardian, wanted kerry to win. but good news! bush has won.
don't hate the media, become the media:

“Thanks to the internet, cable news channels and talk radio, media bias is easier to spot and easier for people to bypass. This not only changes views, but prevents the formation of a phoney consensus - what experts call "preference falsification" - resulting from widespread, and unified, media bias. …Those of you across the Atlantic may wish to take a lesson from this. As the BBC's atrocious handling of the Gilligan affair - and, indeed, its war coverage generally - illustrates, media bias is hardly limited to the United States. In fact, it's probably stronger elsewhere, and less noted, because there are fewer alternatives. Most countries have nothing like American-style talk radio, for example, because it poses far too great a threat to elites to be permitted. Still, British blogs like Samizdata, Biased BBC, Harry's Place and Normblog are providing alternative voices. Since I don't think that elite media have done a very good job during the decades of their dominance, I look forward to seeing alternative media make a difference around the world."

[And "the much-ballyhooed youth vote simply did not show up" (instapundit):
only about one in ten of the 18 - 24 years old went to the poll.]

... "To me, what's more interesting is what will happen if and when the late adopters--older, more conservative, less affluent and less educated voters--start leveraging the Internet in a large way. That's when we'll see real change! And that is when we could finally see the collapse of the traditional political parties, which are failing because they're trying to sell a 19th-century model of governance to a 21st-century electorate."

die spd neu erfinden #1

        

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