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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 

media culture

... blog-kommunikation:
was wir schon immer über seine filme wissen wollten.

... zu lang geredet, wie immer. kurzer sinn:

wieso neigt die (deutschsprachige?) blog-kultur so ausgeprägt zur melancholie, genauer: zur selbst-stabilisierenden version von melancholie? und es ist ja zugleich so etwas wie die aktuelle version von "popliteratur", die es in buchform nicht mehr gibt.

und wieso ist der amtliche visuelle stil diese gelegentlich eben zu geschmackvolle popart-ästhetik geworden, die alle eigentlich ja ganz unvereinbaren fragmente aus der umwelt sofort auf den einheitlichen optischen begriff bringt (und wie wird das eigentlich genau gemacht?)?

was ist das überhaupt für eine merkwürdige neo-post-pop-art, die sich da allmählich herauskristallisiert hat und die inzwischen allgegenwärtig ist, vom sz-magazin bis erratika?

(überhaupt: das phänomen einer hoch differenzierten und supersubtilen GESCHMACKSKULTUR auf allen ebenen der späten pop-kultur. vgl. die vielen altersweisen soloplatten der übriggebliebenen seit den 90ern, die dann an hörabenden-mit-weinprobe-und-referat im lokalen innsbrucker plattenladen präsentiert werden. vgl. die täglich erscheinenden hypergeschmackvollen platten mit exquisiten bezugssystemen von youngstern, die nie jung, fahrig und geschmacklos waren, und das wäre ja "pop").

was ich meine: das alles IST ja gut, ästhetisch SEHR viel avancierter als sagen wir 1980, man MÜSSTE es ja toll finden,
aber ...

... nachtrag zur ethnographischen moblog-expedition durch berlin bei erratika, antwortend auf die ausdrückliche nachfrage.

disclaimer: das ist keine kritik im eigentlichen sinn. ohne ein projekt wie dieses würden gedanken wie diese nie stattfinden. und das unbehagen hat seinen ausgang gerade in meiner identifikation mit diesen blog-personas: lesend empfinde ich sie sehr stark als "meinesgleichen". und: es wurde mehr als vom projekt selbst provoziert durch die lobeshymnen der antville-community darunter.

ansonsten lässt sich das unbehagen tatsächlich von den zwei spontanen formulierungen aus fassen: "sentimental journey" und "selbstausstellung des ethnographischen blicks", ergänzt vielleicht durch "linke melancholie".

das wäre interessant, wenn auch ein bisschen gemein, den gleichnamigen benjamin-aufsatz darauf zu übetragen (mit all den unterschieden, selbstverständlich): der bezieht sich ja auf die linken medianarbeiter um 1930, auf tucholsky, mehring und kästner, und auf ihr selbstverständnis als "beobachter", ihrer selbst wie der anderen. eine haltung, sagt benjamin, der keine politische aktion mehr entspricht.

wobei erratika und sofa-frank sicher nicht "kästner" sind, sondern eher benjamin selbst, der sich da ja mitmeinte. wodurch ich selbst hier in die position des brechtianers gerate ... und antville ist dann "weltbühne" ...

melancholie also. und was mich stört, ist die nicht-verletzende melancholie, die sich als ethnographie ausgibt. was ich aber (gern, mit genuss) sehe und lese ist die selbst-ethnographie meiner generation, die sich da selbstgenügsam-melancholisch zu "ethnographen" stilisiert, wo aktion, verletzung, eingriff folgen müssten. (auch erst mal nur verbal-gedanklich, natürlich.) analyse ist das gegenteil von melancholie: verletzend, wie viele durchaus wehleidig angemerkt haben. "vivisektion", sagte musil im tagebuch, und meinte nicht zuletzt sich selbst damit.

ethnographie ist schon eine metapher, die ich gern mag: aber ich schätze da weniger die sorgfältigen aufzeichnungen merkwürdiger rituale durch abtrünnige des logozentrismus, sondern die levi-strauss'sche mathematik, die mir da fehlt. so wie mit die poetologie des "genauen blicks" immer schon spontan unsympathisch war und ist. nichts gegen genauigkeit, natürlich.

aber die melancholie ist ja schon schön, wie diese texte, wie diese bilder. so schön ungefähr wie ein früher wenders-film mit zischler und vogler, der ja auch weder eine ethnographie des zonenrandgebiets noch der nach-apo-generation ist, sondern halt ein film (ein lieblingsfilm).

das problem wäre also nur da, wo sich solche melancholischen systeme als aussage über die außenwelt ausgeben und damit an die stelle von anderen, ausgeklammerten aussagen treten. denn gegen sentimentale reisen hochgescheiter und hochgeschmackvoller leute kann man ja wirklich nichts haben.

dazu passt die wiederum spontane bemerkung zu frischs tagebücher 1950 und 1971: auf anhieb kommt man ja mit der existenzphilosophischen melancholie von 1950 besser klar, aber die ist eben zuweilen auch sentimental. 1971 ist eine ungemütliche, kalte diaristische maschinerie, ein analyse-experiment, das ich um so besser fand, je mehr ich die feinheiten kapierte. (aber das tat ich zugegeben auch nicht lesend, sondern halt analysierend.)

... hitler spricht leise, im entspannten konversationston: anscheinend die einzige (!) derartige aufnahme, heimlich aufgenommen 1941 in finnland. das merkwürdige: der ton der stimme ist um vieles "authentischer" als jedes foto und jeder film. ein paar worte genügen, um "gegenwart" zu erzeugen.

(auf das lautsprechersymbol neben 29:08 ohjelma klicken. hitler kommt nach ca. 4 minuten, die o-aufnahme ist 11 minuten lang. leider spricht der finnische historiker darüber.)

... von erratika: "in etwa so: leider verplempern wir gar nicht den ganzen tag bewusst die zeit, sondern verfolgen einen ziemlich ironiefreien ethnologischen modus. fremdheit als konzept, um sich einen (wessen auch immer) idealtypischen fremden blick anzueignen, sich die eigene stadt gehend fremd zu machen; sich fremdgehen."
[schönes projekt. aber mir ist das ja zu ästhetisierend: selbstausstellung des ethnologischen blicks ]

dazu:
Michael Rutschky 1999: "Dabei muß man die Stadt selber als Roman verstehen."
dort auch: berlin-hypertext von glaser. berlin-hypertext von röggla. (ohne bilder)
mit bildern: knoerer auf satt.org.

via cyclad-z

... alban nikolai h. lotet in chat-experimenten (x und x) die grenze zwischen schrift und körper aus. wie anders auch dieses blog hier, und jedes andere blog.
und: „sexsüchtige nehmen zu durch das internet“, meldet die presse.

ja, das glaube ich ausnahmsweise. aber was heißt hier „sex“? offensichtlich ja weder das hormone-und-gene-spiel noch das rein-und-raus-spiel, wobei ich ja weder an das eine noch an das andere glaube.

was für eine rolle spielt hier also fleisch-und-blut-und-alldaszeug?
jedenfalls geht es nicht um brodelnde-lava-unter-bürgerlicher-oberfläche, diesen ebenso alten wie saublöden mythos der medienkultur ...

... mehr. tiefer.

... by seeing, hearing, feeling this site. rich content. sehr empfohlen. (dank an m.)

und da ist ja sogar auch der o-ton-clip zum titelgebenden jello-biafra-zitat, von dem ich ja immer noch meine, dass man es eher cyborghaft als grassroots-öffentlichkeitsmäßig interpretieren sollte.

... reich illustriert, hier. [via titanic]

... The Politics Of Information (2003), an ebook of 370+ pages, which should/must be downloaded here.

(content / names listed in mediatope II.)

... by Matt Kirschenbaum should probably be blogrolled. (at last I'm still at home in literary studies.)

        

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