Wenn das Subjekt nicht bei sich ist, wenn es allein ist, und ebenfalls nicht bei sich, wenn es liebt und geliebt wird; wenn es nicht bei sich ist, wenn es sich in sein Denken und Fühlen zurückzieht, und nicht bei sich ist, wenn es sich in die Außenwelt entäußert –
dann gibt es nur eine Ebene, auf der diese Subjektivität den Anspruch auf Wirklichkeit erheben kann: auf dem Papier und in einer prozessual aufgefassten Literatur, zugleich schreibend und das Geschriebene selber lesend (oder rezipierend), isoliert und dennoch in einer kommunikativen Beziehung stehend.
dann gibt es nur eine Ebene, auf der diese Subjektivität den Anspruch auf Wirklichkeit erheben kann: auf dem Papier und in einer prozessual aufgefassten Literatur, zugleich schreibend und das Geschriebene selber lesend (oder rezipierend), isoliert und dennoch in einer kommunikativen Beziehung stehend.
jurijmlotman - am Freitag, 20. Oktober 2006, 23:33 - Rubrik: neue deutsche literatur
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Sich zu erinnern gilt tendenziell nicht mehr als unwillkürlicher Vorgang, sondern wird als sprachlicher Prozess erkannt. Da es keine Instanz mehr gibt, die die Übereinstimmung von Leben und Erinnerung bestätigen könnte (und damit eine Identität des Subjekts, die dessen Anschlusserleben präformiert) gibt es nur ein Bewusstsein, das sich erinnert, indem es Worte hervorbringt und zu einem Bild oder einer Erzählung zusammenfügt.
Erinnern erscheint demgemäß als sprachliche Dekonstruktion von Wirklichkeit, gewissermaßen wortwörtlich als ‚Entsinnen’: Die anscheinend unwillkürlichen Erinnerungen werden in die einzelnen Fragmente und Bilder zerlegt, die man für ihre ‚authentische’ Basis hält, und diese Partikel werden nicht wieder in einen neuen sinnhaften Zusammenhang gebracht.
Die Entfremdungserfahrung des traditionellen Subjekts ist wie immer zugleich eine Errungenschaft: Die Erinnerungsfragmente werden zu frei kombinierbaren Elementen für den ‚offenen Text’, der neue Möglichkeiten für Anschlusserleben schafft und so zusammenfällt mit der befreiten Meta-Subjektivität.
Erinnern erscheint demgemäß als sprachliche Dekonstruktion von Wirklichkeit, gewissermaßen wortwörtlich als ‚Entsinnen’: Die anscheinend unwillkürlichen Erinnerungen werden in die einzelnen Fragmente und Bilder zerlegt, die man für ihre ‚authentische’ Basis hält, und diese Partikel werden nicht wieder in einen neuen sinnhaften Zusammenhang gebracht.
Die Entfremdungserfahrung des traditionellen Subjekts ist wie immer zugleich eine Errungenschaft: Die Erinnerungsfragmente werden zu frei kombinierbaren Elementen für den ‚offenen Text’, der neue Möglichkeiten für Anschlusserleben schafft und so zusammenfällt mit der befreiten Meta-Subjektivität.
jurijmlotman - am Freitag, 20. Oktober 2006, 23:30 - Rubrik: neue deutsche literatur
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Die ‚Rettung’ des letzten nicht-entfremdeten Restes von Subjektivität setzt die Möglichkeit authentischer ‚Erfahrungen’ voraus, die es in der außerliterarischen Welt aber der eigenen Prämisse zufolge nicht mehr gibt.
Als letzter Rest solchen authentischen, ‚offenen’ Lebens erweist sich so paradoxerweise das Schreiben, das ja eigentlich gerade Leben im Sinne einer sinnlichen Teilhabe an der Welt zumindest für die Dauer des Schreibaktes verhindert.
Das solipsistische Geschäft des Schreibens wird zum Inbegriff wahren Lebens durch doppelte Negation im Sinne Adornos: Im ‚falschen Leben’ ist Teilnahme gleichbedeutend mit emphatischem Nicht-Leben.
Indem ‚das Schreiben’ (ein erst jetzt [seit ca. 1950] emphatisch formulierter und geläufiger Ausdruck’) das entfremdete Leben verfremdet und so als entfremdet erst kenntlich macht, ist es mindestens Stellvertreter und letzter Rest ‚richtigen’, d.h. authentischen und emphatisch subjektiven Lebens.
Als letzter Rest solchen authentischen, ‚offenen’ Lebens erweist sich so paradoxerweise das Schreiben, das ja eigentlich gerade Leben im Sinne einer sinnlichen Teilhabe an der Welt zumindest für die Dauer des Schreibaktes verhindert.
Das solipsistische Geschäft des Schreibens wird zum Inbegriff wahren Lebens durch doppelte Negation im Sinne Adornos: Im ‚falschen Leben’ ist Teilnahme gleichbedeutend mit emphatischem Nicht-Leben.
Indem ‚das Schreiben’ (ein erst jetzt [seit ca. 1950] emphatisch formulierter und geläufiger Ausdruck’) das entfremdete Leben verfremdet und so als entfremdet erst kenntlich macht, ist es mindestens Stellvertreter und letzter Rest ‚richtigen’, d.h. authentischen und emphatisch subjektiven Lebens.
jurijmlotman - am Freitag, 20. Oktober 2006, 23:24 - Rubrik: neue deutsche literatur
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Die Dialektik der „Moderne” mündet also in die Aporie der absoluten Subjektivität, die keine andere sinnstiftende Größe mehr anerkennt als sich selbst. Für die Literatur heißt das, dass sie notwendig selbstreflexiv und prozessual werden muss.
Das Subjekt weiß in eben diesem Moment nichts mehr über die Welt zu schreiben und nicht mehr schreibend auf sie einzuwirken, in dem es erkennt, dass es alles schreiben kann, und in dem es überhaupt recht erkennt, was das eigentlich ist: „Schreiben”.
Das Subjekt weiß in eben diesem Moment nichts mehr über die Welt zu schreiben und nicht mehr schreibend auf sie einzuwirken, in dem es erkennt, dass es alles schreiben kann, und in dem es überhaupt recht erkennt, was das eigentlich ist: „Schreiben”.
jurijmlotman - am Freitag, 20. Oktober 2006, 23:18 - Rubrik: neue deutsche literatur
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... die ich dann mal rechts in die komplett überholte linkliste endlich eintragen werde. wenn ich dann mal zeit habe. einstweilen als note to self:
http://www.brainfarts.de
http://konsumkinder.at
vielleicht klappt das ja mit der experimentellen blog-lesung im literaturhaus.
ich bin unbedingt dafür. man weiß ja erst, was geht (und warum nicht) wenn man es tut und hört.
http://www.brainfarts.de
http://konsumkinder.at
vielleicht klappt das ja mit der experimentellen blog-lesung im literaturhaus.
ich bin unbedingt dafür. man weiß ja erst, was geht (und warum nicht) wenn man es tut und hört.
jurijmlotman - am Freitag, 13. Oktober 2006, 13:31 - Rubrik: meta-blogging
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... BLOGS Ich finde das langweilig, vermisse die Suche nach Verbindlichkeiten, gemeinsame Formen. ... Was dabei nicht passieren dürfte, wäre, dass meine Zeit noch mehr von Netzkultur in Anspruch genommen würde und man zu nichts anderem mehr kommt – zur Reflexion, zu der Arbeit, die mich interessiert.
POP usw. Die Qualität dieser Art von Pop ist verloren gegangen, weil sie keinen Platz mehr in der Welt hat, nichts Interessantes mehr produziert. Lakonie, Witz, Tempo usw. kann heute jeder Depp. ... Um was ging es also beim Punk? Unter anderem darum, Formen zum Vorschein zu bringen, die unter den gegenwärtigen und vorangegangenen liegen. Es gab die Freunde von Drones und Industrial, die entdeckt haben, dass unter dem Progressive Rock ein pfeifender Ton liegt, den man sich gerne mal genauer anschauen möchte. Oder Leute, die unter dem Pub-Rock die drei-Akkorde-Struktur entdeckt und freigelegt haben.
WAHRHEIT Ist von der Wahrheitsemphase bei Ihnen noch etwas übrig geblieben? Viel, eigentlich alles. Ich trage das nur anders aus. Ich glaube weiterhin, dass ich Recht habe. Das ist es dann aber auch. [#]
POP usw. Die Qualität dieser Art von Pop ist verloren gegangen, weil sie keinen Platz mehr in der Welt hat, nichts Interessantes mehr produziert. Lakonie, Witz, Tempo usw. kann heute jeder Depp. ... Um was ging es also beim Punk? Unter anderem darum, Formen zum Vorschein zu bringen, die unter den gegenwärtigen und vorangegangenen liegen. Es gab die Freunde von Drones und Industrial, die entdeckt haben, dass unter dem Progressive Rock ein pfeifender Ton liegt, den man sich gerne mal genauer anschauen möchte. Oder Leute, die unter dem Pub-Rock die drei-Akkorde-Struktur entdeckt und freigelegt haben.
WAHRHEIT Ist von der Wahrheitsemphase bei Ihnen noch etwas übrig geblieben? Viel, eigentlich alles. Ich trage das nur anders aus. Ich glaube weiterhin, dass ich Recht habe. Das ist es dann aber auch. [#]
jurijmlotman - am Montag, 9. Oktober 2006, 17:27 - Rubrik: aging of pop
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... Writing is a concentrated form of thinking. I don't know what I think about certain subjects, even today, until I sit down and try to write about them.
Then sentence by sentence into the breach. No outlines--maybe a short list of items, chronological, that may represent the next twenty pages. But the basic work is built around the sentence. This is what I mean when I call myself a writer. I construct sentences.
There's a rhythm I hear that drives me through a sentence. And the words typed on the white page have a sculptural quality. They form odd correspondences. They match up not just through meaning but through sound and look.
My own personal preference is for fiction that is steeped in history, that takes account of ways in which our perceptions are being changed by events around us.
For me, wellbehaved books with neat plots and worked-out endings seem somewhat quaint in the face of the largely incoherant reality of modern life; and then again fiction, at least as I write it and think of it, is a kind of religious meditation in which language is the final enlightenment, and it is language, in its beauty, its ambiguity and its shifting textures, that drives my work.
Then sentence by sentence into the breach. No outlines--maybe a short list of items, chronological, that may represent the next twenty pages. But the basic work is built around the sentence. This is what I mean when I call myself a writer. I construct sentences.
There's a rhythm I hear that drives me through a sentence. And the words typed on the white page have a sculptural quality. They form odd correspondences. They match up not just through meaning but through sound and look.
My own personal preference is for fiction that is steeped in history, that takes account of ways in which our perceptions are being changed by events around us.
For me, wellbehaved books with neat plots and worked-out endings seem somewhat quaint in the face of the largely incoherant reality of modern life; and then again fiction, at least as I write it and think of it, is a kind of religious meditation in which language is the final enlightenment, and it is language, in its beauty, its ambiguity and its shifting textures, that drives my work.
jurijmlotman - am Mittwoch, 9. August 2006, 23:15
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... habe ich hier gerade gefunden, bei einer google-suche mit "Bring deinen Körper auf die Party" [sensationell: mp3 da, und anderes]. kulturgeschichtlich wertvoll, 1977 - 1982. bislang selbst noch keine neue meinung dazu gebildet.
jurijmlotman - am Mittwoch, 9. August 2006, 22:44 - Rubrik: media culture
"... wie ein insekt, das gerade noch seinen verrichtungen nachgegangen ist und unerwartet von einem tropfen baumharz überrollt wird". passig in der SZ, untertitelt: "In Klagenfurt fehlten mir Schuhe, ein Föhn und ein Kunstbegriff."
wobei ja der unterschied, um den es geht, der zwischen kunstharz-text und baumharz-text zu sein scheint, wenn man "harz" hier für "im gefügten text erstarrt" setzt. "kunstharz" dann: die art von gefügtem text, die sich sich von vornherein obsolet anfühlt. ich sage ja gar nicht, dass das grundsätzlich nicht mehr geht. das größte ist weiterhin der plötzlich zeitlose gefügte text, aber der kann sich, so denkt es in mir, heute nicht mehr recht in den vorgefügten schablonen entwickeln. wobei andererseits natürlich DeLillo ... usw.
wobei ja der unterschied, um den es geht, der zwischen kunstharz-text und baumharz-text zu sein scheint, wenn man "harz" hier für "im gefügten text erstarrt" setzt. "kunstharz" dann: die art von gefügtem text, die sich sich von vornherein obsolet anfühlt. ich sage ja gar nicht, dass das grundsätzlich nicht mehr geht. das größte ist weiterhin der plötzlich zeitlose gefügte text, aber der kann sich, so denkt es in mir, heute nicht mehr recht in den vorgefügten schablonen entwickeln. wobei andererseits natürlich DeLillo ... usw.
jurijmlotman - am Montag, 31. Juli 2006, 09:28 - Rubrik: neue deutsche literatur
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