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jurij m. lotman (R.I.P.)
die grenzen des textes sind die grenzen der welt

 
... seltsames jahr. die erfindung des ROCK: wall of sound mit fuzz boxes, aber jetzt ohne das sympathische durcheinander der experimentellen jahre 1965 - 1968. woodstock und easy rider. ich erkenne den meilenstein-charakter von, sagen wir, king crimson und led zeppelin im nachhinein schon an, aber es bedeutet mir immer noch nichts. noch nicht einmal kick out the jams. meine 1969-stücke: bad moon rising von CCR. some kinda love von VU. bob dylans nashville skyline. sonst fällt mir nichts ein. die stones waren glaube ich damals auch noch gut (indiskutabel erst nach 71/72?).

... falls jemand sich wirklich die lektüre der 9 links-postings antun sollte (und ich weiß dass sich das komisch liest): das sollte man eher von unten nach oben lesen. obwohl: von oben nach unten ist vermutlich der eigentliche elchtest. jede peinlichkeit gnadenlos freilegend.

und hier #9: Die LINKE ist nicht sentimental, sondern wissenschaftlich: nämlich in einem grundlegenden und aktivistischem Sinn systemtheoretisch. (Marx und Brecht waren Systemtheoretiker.) Die Linke begreift HUMANITÄT als Effekt von Systemen.

... Die LINKE ist notwendig SOLIDARISCH, weil sie immer auf sozialen Netzwerken aufbaut und die „Schwachen“ einbezieht. Links-sein ist aber niemals einfach erschöpft mit „Solidarität der Bedrängten“ oder – noch schlimmer – „Sorge für die Benachteiligten“. Das wäre defaitistisch. Die Linke kann sich aus der Solidarität der extrem Bedrängten heraus formieren (exemplarisch: südamerikanische Kollektive landvertriebene indios), aber das ist nur dann hinreichend, wenn damit die offensive und KULTURREVOLUTIONÄRE Forderung nach Verwirklichung der menschlichen Möglichkeiten verbunden wird. Die Bedrängten und Schwachen sind – oft – nicht-revolutionär und ihre Kollektive/Netzwerke sind immer davon bedroht, in nicht-linke Herrschaftsverhältnisse umzuschlagen.

... Links sein heißt, sagt Nobbio, an der Forderung der GLEICHHEIT festzuhalten. Und wahr ist, dass Akzeptieren von Ungleichheit jedenfalls nicht-links ist. Allerdings ist gerade „GLEICHHEIT“ ein notorisch unklarer und irreführender Begriff. (5a) GLEICHHEIT bedeutet auf der einen Seite (offensiv), in die Forderung nach Verwirklichung der menschlichen Möglichkeiten ALLE einzuschließen (was im übrigen auch deshalb gut ist, weil es automatisch zu permanenter Unzufriedenheit und Kulturrevolution führen muss). (5b) Und Gleichheit bedeutet auf der anderen Seite (defensiv), so etwas wie einen sozio-kulturellen SPIELRAUM immer neu herzustellen, der maximale Vielfalt und maximale Interaktion ermöglich, der viele Teil-Spielräume umfasst, und der allen Spielern die Möglichkeit gibt, so gleich zu sein wie Teilnehmer an einer Sportart bzw. Teilnehmer verschiedener Sportarten eben „gleich“ sind (ausgewiesen durch das neutrale Trikot). „Gleich“ sein heißt hier, die Gnade zu erfahren, nicht an seiner Herkunft gemessen zu werden. Dass man sie gleichwohl immer mitschleppt, ist wahr (siehe 5a). Niemand behauptet, dass die Forderung nach Gleichheit einen nicht-widersprüchlichen Zustand herstellt.

... die LINKE ist FORTSCHRITTSFIXIERT, weil sie Dynamik erzeugen will und muss. Sie will immer MEHR und das ANDERE. Sie will den Menschen nicht „zu sich selbst zurück“ bringen, sondern nach vorn, zu seinen noch nie realisierten Möglichkeiten. Sie sucht immer nach den „Transmissionsriemen“. (Alte leninistische Metapher, die allerdings zu kurz greift, weil sie einem vergangenen technischen Paradigma angehört). Der TECHNISCHE FORTSCHRITT (im weiten Sinn) muss von der Linken immer begriffen und oft positiv besetzt werden: nämlich da, wo er systemisch-humanitäre MÖGLICHKEITEN erschließt. Und das tut er schon allein deshalb, weil er für bewusstlose permanente Revolution sorgt. Die Linke versucht typischer Weise das Bewusstsein herzustellen, das die bewusstlose TECHNISCHE REVOLUTION zu einer potenziell menschlichen Revolution macht. Sie leiht sich Dynamik. Weil die Linke immer eine MEDIENTECHNISCHE BEWEGUNG war und sein muss, spielt MEDIENTECHNISCHER FORTSCHRITT eine besondere Rolle. Das gilt naturgemäß in besonders extremem Maß in der gegenwärtigen postindustriellen Ära.

... permanente KULTURREVOLUTION: Die Linke will permanente Veränderung. Der Status Quo ist niemals links, weil er immer ein Verrat an den Möglichkeiten des Menschen ist. Links sein heißt in der Krise sein. (Brecht: ‚Immer alles durch Kritik in die Krise bringen.’) Die linke Rhetorik ist kämpferisch.Die linke Revolution ist eine KULTURREVOLUTION, weil die linke Utopie auf dem semantischen Mehrwert aufbaut, den die sprachliche Selbstreflexion erst erzeugt. Kampfmittel der Linken sind deshalb Sprache und Zeichen, mit denen Grenzen („Fronten“) definiert und andere Positionen geschleift werden. Linke Politik ist (und war von Anfang an!) deshalb notwendig MEDIENPOLITIK. Seit die bourgeois-kapitalistische Politik ebenfalls bedingungslos Medienpolitik ist, ist die Linke gezwungen, die Medien besser zu begreifen und zu nutzen als ihre gesellschaftlichen Gegner. Das ist gut so, denn die Medien sind keine Mittel der Propaganda, wie die Alte Linke glaubte, sondern wesentliche Mittel um die Möglichkeiten des Menschen zu erweitern.

… die Linke ist IDEOLOGISCH und SELBSTKRITISCH: Sie weiß, dass es keinen ideologiefreien Raum gibt. Es gibt nur materiell und intellektuell beschränkte Ideologien (im engen Sinn) und die linke humanistische Meta-Ideologie (als ideales Konstrukt). Aber weil die linke Ideologie, wenn sie konkret behauptet wird, immer historisch und sozial definiert ist, ist sie zwangsläufig immer AUCH (aber eben NIEMALS NUR) beschränkte Ideologie. Zugleich ist genau diese ungemütliche Dialektik von Beschränktheit und Unbedingtheit die Voraussetzung für die Beschleunigung der permanenten Kulturrevolution.

… die linke Politik ist AKTIVISTISCH, d.h. nicht fatalistisch und nicht technokratisch. Sie will MACHT. Sie appelliert nicht an „den Menschen“, und sie will auch nicht aus einer wohltätig-überlegenen Position heraus „den Menschen helfen“. Sie appelliert an den Einzelnen nicht als menschen, denn Mensch ist er ja noch nicht im vollgültigen Sinn. Sie appelliert an den Einzelnen als Citoyen, sich selbst als nicht-individuell und als produktiv zu begreifen: „Sei systemisch!“ Das heißt nicht „Funktioniere!“, sondern: „Erfasse und erfinde jeden Tag das System neu!“ D.h. auch: „Greife ein!“ ((Alle Räder stehen still: Heißt, zu verstehen, wie die Maschine funktioniert. Eingreifen als Experiment. …)) Nur der Mensch, der sich in ein System stellt, das begreift und eingreift, realisiert seine Möglichkeiten. Die linke Politik betrachtet staatliche und soziale Macht als etwas Wertvolles und Konstruktives. Diese Macht als Mittel der Veränderung ist nicht zu verwechseln mit dem „Staat“ als idealiter „neutralem“ Apparat der Selbststabilisierung des Systems, der das sozio-politische Spielfeld bezeichnet und sichert (Gewaltmonopol des Staates, Rechtssystem, Spielregeln aller Art). Die demokratische Linke lehnt diese technische Funktion des „Staates“ nicht grundsätzlich ab. Sie ist nicht apriori gegen Grenzziehungen. Sie ist sich aber der permanenten Notwendigkeit bewusst, diesen Apparat zu überholen und zu revolutionieren.
(Die Linke erkennt selbstverständlich die Notwendigkeit, „den Schwachen zu helfen“. Aber das ist nicht ihr oberstes Prinzip. Sie will die Schwachen aktivieren. Die aktive Sorge um „die Schwachen“ ist zugleich auch deshalb die offensive Erweiterung der menschlichen Möglichkeiten, weil sie ungemütlich ist: weil sie die Individuen in den politischen Raum hinein nimmt, die sonst allzu leicht, auch und gerade von „Humanisten“, als „hoffnungslose Fälle“ ausgegrenzt werden.)

... für die Linke sind AGENTEN des sozialen/historischen/politischen Prozesses nicht Individuen („bourgeoise“ Ideologie), sondern offene, dynamische, spannungsreiche Systeme, d.h. genauer: systemische Felder. Die Linke ist individualistisch, weil Individuen nötig sind um offene, dynamische, spannungsreiche Systeme zu erzeugen. Sie ist da anti-individualistisch, wo Individualismus zur Ideologie wird (Bourgeoisie-als-Zusammenschluss-vernünftiger-Subjekte, Kapitalismus-als- Wettbewerb, Konsum-als- Selbstverwirklichung). Individuen sind hier Systeme verwoben in andere Systeme (die Sprache, das System von Konsum/Prestige, die Wirtschaft, die Medien, die (Sub-)Kulturen, u.v.a. kleinere Systeme). Das „soziale System“ wird nicht mehr als Organisation gedacht (Militär, Gewerkschaft, Partei), sondern als Netzwerk. Als mediale Organisation von Zeichen-Ereignissen (nicht: von Individuen). Die Linke ist dann ins Inhumane umgeschlagen, wenn der Begriff des Systems falsch war (reduktionistisch, geschlossen).

... Das LINKE INTERESSE: Politik ist das Spiel von Interessen. Das linke Interesse ist nicht-partikular: es ist die Würde des Menschen, die offensiv seine Möglichkeiten einschließt. Damit liegt das linke Interesse auf einer anderen Ebene als alle anderen politischen Interessen (Lobbyismus). Es zielt nicht auf „Ausgleich“ als Wert an sich. Das linke Interesse ist auch nicht gleichbedeutend mit dem (empirischen) „öffentlichen Interesse“ (Ordnung, Wohlstand, „Selbstverwirklichung"). Würde zu behaupten ist ein anstrengender Prozess, der den Menschen zugemutet wird. Die Linke interessiert sich für den MENSCHEN und seine Rechte, nicht in erster Linie für „die Natur“ (was immer das genau ist). Alle „Rechte für die Natur“ sind hier bewusst abgeleitet aus den Rechten für den Menschen. Weil aber der Mensch immer systemisch ist, appelliert die Linke nie an „den Menschen“. Der sentimentale Appell an „den Menschen“ (wie ihn die Medienpolitiker in ihren Seminaren beigebracht bekommen) ist Ideologie, wenn er nämlich nicht die radikale Anerkennung und Vertretung der Möglichkeiten des Menschen bedeutet. Die Linke ist immer und für alle (sich selbst eingeschlossen) UNGEMÜTLICH. (d.h. dialektisch?)

... ist mühsam. viel lieber schreibt man ja noch eine kindisch selbstbezogene pop-geschichtseintragung ("mein 1969"). trotzdem für mich versucht, wie immer von null beginnend, nach lektüre von giddens ("der dritte weg"). ein erstaunlich unscharf dahingefaseltes buch, wie offenbar der politische diskurs selbst. aber natürlich will man weder "alte sozialdemokratie" sein (deutsche "Linkspartei"), noch gar "neoliberalismus" (der gegenwärtig einzig revolutionäre diskurs).

DIE LINKE (meine Linke) neu erfinden, bedeutet genau genommen DAS LINKE neu erfinden. Das Subjekt DIE LINKE gibt es gegenwärtig gar nicht, obwohl man ständig Leute trifft, die zum Proto-Subjekt DIE LINKE gehören. Das Subjekt/Projekt DIE LINKE muss sich erst organisieren. Und das wird lang dauern. Minestens so lang wie die dazu gehörigen blog-einträge ...

... die ersten beiden monate von herbsts blog-buch als pdf heruntergeladen.
jetzt noch dasselbe von praschl, und ich hätte zwei gute (digitale) bücher deutsche gegenwartsliteratur.

... in vollem schwung, und praschl himself hats auch schon gesehen. ich habe nur ein layout-problem mit dem vanilla. es wirkt sofort so spezialistisch schwer zugänglich. aber das muss sicher nicht sein.

... in dem letzten großen stück vom nestor der 40+ popliteratur. wo ich aber die ehrenrettung der "am-rand-stehenden-verbitterten-spaßbeobachter" anmahnen möchte. ich wäre ja immer gern einer der auratischen randsteher gewesen, mit ihrem mageren, bleichen, abschätzigen rattenblick auf die-die-auf-der- tanzfläche-spaß-mit-dem-körper-haben. und war halt doch immer nur ein linkisches freundliches trumm.

... der geschmack ist, wie ich immer wieder feststelle, berechenbar. keine hippen spezialsachen. eigentlich müßte ich auch Docks of the Bay dazu schreiben.
Velvet Underground, White Light/White Heat, I Heard Her Call My Name; Doors, Summer's Almost Gone; Bob Dylan, I Dreamed I Saw St. Augustine; The Who, Mgic Bus; Rolling Stones, Sympathy for the Devil, No Expectations; Marvin Gaye, I Heard It Through the Grapevine; Sam & Dave, I Thank You; Pentangle, Pentangling; Canned Heat, On the Road Again; Aretha Franklin, Chain of Fools, Think; Creedence Clearwater Revival, Susie Q;

... mit playlists herumbosseln, schon immer. auch ein grund warum nichts aus mir geworden ist. da kann ich nur vor warnen. deshalb also die revidierte eigene sz-diskothek-liste für MEIN 1978:
Suicide, Johnny (die Platte ist nominell von 1977, scheint aber erst 1978 da gewesen zu sein); [The Normal, Warm Leatherette -- erst jetzt gehört, ehrenhalber aufgenommen danke SZ. damals nur dem namen nach bekannt.]; Kraftwerk, Neonlicht; Ultravox, When You Walk Through Me; XTC, Battery Brides; Buzzcocks, Ever Fallen in Love (With Someone You Shouldn't Have Fallen in Love With); Talking Heads, Psycho Killer [faktisch erst 1978]; Patti Smith, Rock 'n'Roll Nigger; Tonio K., Life in the foodchain; Dire Straits, Water of Love; Bob Dylan, Where Are You Tonight; George Thorogood & The Destroyers, Ride On Josephine
Nachtrag: Bill Withers, Lovely Day (es gibt noch sehr viel bessere songs, aber die waren alle früher)

... absoluter favorit ist, mäßig überraschend, 1958. sich rückwärts bewegen. ich mag wirklich nur voice & noise, intensität. keine musiker-musik, und schon gar keine geschmackvolle. die 1968 folge: positiv und zeitgeist-haltig die neuen ambitionierten soul-sachen: jerry butler, only the strong will survive; staple singers, long walk to D.C; james brown natürlich. der rest wirkt eher wirr und beliebig: es gibt kein rechtes bild. das liegt nicht an 1968, da bin ich ganz sicher, dass das kein wirres jahr war. vielleicht nerviger rock, aber nicht beliebig. da versagt scheint es der (mir natürlich ohnehin suspekte) penetrant geschmackvolle geschmack der heutigen eklektiker-ära, der dann aber 1958, ganz im gegensatz dazu, großartig triumphiert. da ist genialität: elvis, ivan, stagger lee, don gibson, johnny b. goode, howlin wolf, willie & the hand jive, aber auch das teenie-pop drama endless sleep.die 1993-folge: noch gar nicht gehört, die nervt mich schon, wenn ich die playlist lese. gut dass ich damals nicht jung war. gangsta-hiphop, grunge, björk, techno-goes-mainstream. was hätte man da nur gemacht? hans nieswands schön zu lesender begleit-essay überzeugt mich da auch nicht, inhaltlich. wäre ich 1968 gern jung gewesen? das habe ich mir dann ja später immer gewünscht, 1975/76. ja, schon wahrscheinlich: dylan hören, doors als sie gut waren, den soul hätte ich fürchte ich verpasst, aggressive sds-teach-ins und pariser mai, handke als er gut war, und brinkmann. wobei der roman zur zeit (heißer sommer, uwe timm) ja ein entsetzlich dröges, aber gerade darum authetisch wirkendes bild zeichnet.

... Alban Nikolai Herbst, Die Dschungel. Anderswelt. Literarisches Weblog 2004/2005. mir gefällt der titel so verändert ja besser: dschungel=anderswelt=weblog als synonyme. jedenfalls scheint er ernst zu machen: sehr gut. und das motto ist vielversprechend: "Es geht nicht darum, Authentizität zu erhalten, vielmehr soll sie erschaffen werden." hier der arbeitsplan für das work in progress.

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(geklaut, von sebastian)

        

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